Mittelständige Unternehmen auf der Suche nach einem Nachfolger
Späne zieren den Boden. In der Werkstatt riecht es
nach Holz. Joachim Engelstädter erledigt seine Arbeit. Dabei wollte er längst in Rente gehen - schon vor zwei Jahren. Heute ist er 67 und packt noch immer genauso mit zu. Dennoch hat sich für den
erfahrenen Dresdner Tischlermeister einiges in seiner Werkstatt verändert. Der Senior hat die Führung des Unternehmens einem Jüngeren übertragen. Keine leichte Entscheidung, doch ihm war klar, dass
er für die Tischlerei einen geeigneten Nachfolger brauchte. An seine Stelle ist Matthias Fischer getreten - 32 Jahre alt und den Meisterbrief in der Tasche. Am 03. August 1998 startete der junge
Tischlermeister mit seiner neu gegründeten Firma "Engelstädter - Tischlerei Matthias Fischer" in die Selbständigkeit. Engelstädter und Fischer sind ein Beispiel für den bevorstehenden
Generationswechsel in mittelständigen
Unternehmen.
Wer ist der Richtige
Allein bis zur Jahrtausendwende suchen in Deutschland etwa 300.000 erfolgreiche mittelständige
Unternehmen einen Nachfolger. Auch in Sachsen werden sich viele erfahrene Chefs mit dieser Frage beschäftigen müssen. "Bei 27 Prozent der eingetragenen Einzelunternehmen im Regierundsbezirk Dresden
sind die Inhaber älter als 55 Jahre", verdeutlicht Manuela Salewski, Betriebsberaterin der Handwerkskammer Dresden, die Situation. Und ein Wechsel vom Senior zum Junior muss langfristig vorbereitet
werden, rät die Expertin. Besonders dann, wenn Sohn oder Tochter das Unternehmen nicht übernehmen können. Dann muss ein anderer gefunden werden, um das Unternehmen weiterzuführen. Auch bei Tischler
Engelstädter war dies der Fall. Sein Sohn hatte einen anderen Beruf gewählt, deshalb trat er an seinen Mitarbeiter heran. Er schien ihm am besten geeignet - schon über zehn Jahre arbeitete der junge
Mann in der Dresdner Tischlerei, lernte hier das Handwerkszeug und bildete sich weiter.
Vertrauen zählt
Matthias Fischer hatte zwar daran gedacht, irgendwann einmal eine eigene Tischlerei zu führen,
doch das dieser Wunsch so schnell wahr werden würde, hätte er nicht gedacht. "Ich hätte damals gern noch ein Jahr gewartet. Mitten in der Prüfungszeit - ich stand kurz vor dem Abschluss meiner
Weiterbildung zum Gestalter im Handwerk - erfolgte der Wechsel." Doch seine Entscheidung hat Matthias Fischer bis heute nicht bereut. Und natürlich profitiert er auch vom bisherigen Geschäftserfolg.
Rechtzeitig sollten die künftigen Chefs die Finanzierung überdenken. Die Experten der Abteilung Existenzgründer der Sparkasse helfen den Jungunternehmern beim erfolgreichen Start in die
Selbständigkeit. So reibungslos erfolgt die Übergabe eines Betriebes aber nicht immer. Wolfgang Brune, Vorstand der Stadtsparkasse: "Viele Unternehmer denken gar nicht daran, dass das Unternehmen
noch an jemanden verkauft werden könnte." Aber auch noch ein anderer Punkt spielt hier eine wichtige Rolle: "Wer gibt schon gern zu, dass er in ein Paar Jahren zum alten Eisen gehört. Es erfordert
von allen Beteiligten großes Einfühlungsvermögen, denn der Verkauf oder die Übergabe eines Unternehmens, das man jahrelang selbst aufgebaut hat, ist eine emotionale Angelegenheit." Man muss Vertrauen
zueinander haben. "Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es nach der Übergabe menschlich und persönlich so gut mit uns klappt", erzählt Matthias Fischer. Und auch noch heute schätzt er die
Erfahrung und die Unterstützung seines ehemaligen Chefs.
Artikel aus "canaletto" 2/99
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